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Leasingbilanzierung nach IFRS 16: Kennzahleneffekte, Kommunikation und Prozesse

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Nach fast zehnjähriger Überarbeitungszeit wurde 2016 der Standard IFRS 16 zur Bilanzierung von Leasingverhältnissen in neuer Version veröffentlicht. Dieser ersetzt die bisherigen Regelungen zur Leasingbilanzierung nach IAS 17, IFRIC 4, SIC 15 und SIC 27. Die Neuregelungen sind sowohl nach den Vorgaben des IASB als auch nach dem Ende 2017 erfolgten EU-Endorsement erstmals verpflichtend für Geschäftsjahre anzuwenden, die ab dem 1. Januar 2019 beginnen. Entsprechend laufen bei den meisten IFRS-Anwendern die Vorbereitungen für die Anwendung des IFRS 16 bereits auf Hochtouren.

1) Ziel der Überarbeitung

Hauptkritikpunkt an IAS 17 war, dass mit der Kategorisierung von Leasingverhältnissen in Finance und Operate Leases beim Leasingnehmer immenses bilanzpolitisches Potenzial gewährt wird und sich in der Anwendungspraxis die außerbilanzielle Erfassung von Leasingverhältnissen durch entsprechende Vertragsgestaltung größter Beliebtheit erfreut. Der neue Standard verfolgt dagegen den sogenannten Right of Use-Ansatz, nach dem der Leasingnehmer grundsätzlich alle Leasingverhältnisse (mit bestimmten Ausnahmen) in seiner Bilanz zu erfassen hat – unabhängig davon, wer die wesentlichen Chancen und Risiken aus dem Vertragsverhältnis trägt. Häufig bemängelt wird jedoch, dass IFRS 16 zur Abbildung von Leasingverhältnissen konzeptionell unterschiedliche Vorgehensweisen bei Leasingnehmer und Leasinggeber festschreibt. Zudem konnte keine Vereinheitlichung der Regelungen nach IFRS und USGAAP erreicht werden, so dass das zwischen IASB und FASB vorgesehene Ziel der Konvergenz der Regelungen nicht erreicht werden konnte.

2) Die Neuerungen der Leasingbilanzierung im Kurzüberblick

Während die Bilanzierung beim Leasinggeber weiterhin dem Risk and Reward-Ansatz folgt und zwischen Finance und Operate Lease unterscheidet, vollzieht das IASB bei der Leasingnehmerbilanzierung einen Paradigmenwechsel. Danach erfasst der Leasingnehmer im Grundsatz für alle Leasingverhältnisse sowohl das Nutzungsrecht an dem Leasinggegenstand als auch eine entsprechende Verbindlichkeit für die Verpflichtung zur Zahlung der künftigen Leasingraten in der Bilanz. Ausnahmen bestehen lediglich für kurzfristige Leasingverhältnisse mit einer Laufzeit von bis zu zwölf Monaten sowie für geringwertige Leasingverhältnisse, für deren Identifikation das IASB einen betragsmäßigen Richtwert von 5.000 US-Dollar – bezogen auf den Neuwert des Leasinggegenstands – festlegt. Dieser ist jedoch nicht als Fixum zu verstehen, sondern auf die unternehmens-/ branchenspezifischen Besonderheiten des Bilanzierenden hin anzupassen. Für diese Leasingverträge besteht ein explizites Wahlrecht zur aufwandswirksamen Erfassung, das bei kurzfristigen Leases für jede Vermögenskategorie, bei geringwertigen Leasinggegenständen für jeden einzelnen  Vermögenswert separat ausgeübt werden kann.

3) Rückbauverpflichtung

Die Bewertung der Leasingverbindlichkeit basiert auf dem Barwert sowohl einmaliger als auch laufender Leasingzahlungen – fix sowie zum Teil variabel – und erwarteter Zahlungen aus Restwertgarantien und wahrscheinlich ausgeübten Kaufoptionen. Keine Berücksichtigung finden dagegen nutzungs- oder umsatzabhängige Leasingzahlungen. Als Diskontierungszinssatz für die Barwertermittlung dient grundsätzlich der dem Leasingverhältnis zugrunde liegende Zinssatz. Das Nutzungsrecht wird zu Anschaffungskosten aktiviert, die im Wesentlichen vom Ansatz der Leasingverbindlichkeit, ergänzt um direkte Vertragskosten und Kosten einer Entsorgungs-/Rückbauverpflichtung, bestimmt werden. Im Rahmen der Folgebewertung wird das Nutzungsrecht in der Regel planmäßig linear über die Laufzeit des Leasingvertrags abgeschrieben. Bei Eintritt eines außerplanmäßigen Werteverzehrs wird ein Impairment nach IAS 36 vorgenommen. Die Leasingverbindlichkeit wird in den Folgeperioden um den Tilgungsanteil d er gezahlten Leasingraten gekürzt, der Zinsanteil als Zinsaufwand GuV-wirksam erfasst.

4) Auswirkungen auf Abschlussstruktur und Kennzahlen

Die grundsätzliche Erfassung (fast) aller Leasingverhältnisse in den Bilanzen des Unternehmens führt tendenziell zu einer deutlichen Bilanzverlängerung beim Leasingnehmer. Je nach Umfang und Art der Leasingverhältnisse des Unternehmens kann dies im Einzelfall wesentliche Auswirkungen auf verschiedene Kennzahlen und in der Folge gegebenenfalls auch auf Financial Covenants, Ratings oder Steuerungs- und Anreizsysteme haben. Besonderes Augenmerk liegt dabei oftmals auf der Eigenkapitalquote, die aufgrund der mit dem Right of Use-Ansatz zu verbuchenden Verbindlichkeiten gegenüber einer außerbilanziellen Erfassung von Operate Leases nach IAS 17 zum Teil deutlich sinken wird. Eine korrespondierende Veränderung ergibt sich für den Verschuldungsgrad. Neben rein bilanziellen Effekten wirkt sich die Umstellung auf IFRS 16 aber auch auf die Struktur der GuV des Unternehmens aus.

5) IFRS 16 und EBITDA

Dies liegt daran, dass nach IFRS 16 nicht mehr lediglich der Miet-/Leasingaufwand als operative Aufwandsgröße in Abzug gebracht wird, sondern nunmehr zum einen die Abschreibung des Nutzungsrechts, zum anderen die mit der Verbindlichkeit verbundenen Zinsaufwendungen GuV-wirksam zu erfassen sind. Änderungen ergeben sich hieraus dadurch, dass mit den nun zu erfassenden Aufwandsarten die GuV in anderen Positionen belastet wird als nach IAS 17. Während der Mietaufwand bei Operate Leases nach IAS 17 als betrieblicher Aufwand erfasst wird und somit in vollem Umfang auf EBITDA sowie EBIT durchschlägt, werden nach IFRS 16 Teile des Aufwands als Abschreibung auf das Nutzungsrecht, Teile als Zinsanteil der Leasingzahlung in der GuV erfasst – also unterhalb des EBITDA. Der Tilgungsanteil der Leasingzahlung wird hingegen GuV-neutral erfasst. Als Folge aus der Anwendung des IFRS 16 werden demnach ein höheres EBITDA und ein höheres EBIT ausgewiesen (siehe folgende Abbildung).

Da der Abschreibungsaufwand über die Laufzeit konstant ist, der Zinsaufwand aufgrund der abnehmenden Leasingverbindlichkeit jedoch abnimmt, ergibt sich im Vergleich zu IAS 17 eine zeitliche Vorverlagerung des Gesamtaufwandes und damit zu Beginn ein insgesamt geringeres Ergebnis (sog. Front-Loading-Effekt). Aber auch auf GuV-bezogene Rentabilitätskennziffern wie die Umsatzrentabilität als Verhältnis von EBIT und Umsatz wirken sich die Neuerungen aus. Im Gros der Fälle dürfte die Umsatzrentabilität aufgrund des steigenden EBIT bei durch IFRS 16 unverändertem Umsatz steigen. Aber auch auf das Zusammenwirken der geänderten bilanziellen und GuV-Größen im Rahmen von Rentabilitätskennzahlen wirkt sich die Umstellung auf IFRS 16 aus. Eine häufig verwendete Rentabilitätskennzahl ist zum Beispiel die Gesamtkapitalrentabilität, die sich als Quotient aus EBIT und Gesamtkapital ergibt. Dabei wird das EBIT als Ergebnisgröße mit einer Größe ins Verhältnis gesetzt, die die Entwicklung der Ergebnisgröße maßgeblich mitbestimmt.

Im Regelfall dürfte bei Unternehmen, die bislang verstärkt Operate Leases eingesetzt haben, der Zähler der Rentabilitätskennzahl (EBIT) durch einen überproportionalen Anstieg der Kapitalgröße im Nenner überkompensiert werden, was zu einer sinkenden Gesamtkapitalrentabilität nach IFRS 16 führt. Aber auch andere Kennzahlen, beispielsweise der in der erfolgswirtschaftlichen Analyse eingesetzte Zinsdeckungsgrad oder der in der finanzwirtschaftlichen Analyse verwendete dynamische Verschuldungsgrad, werden durch IFRS 16 beeinflusst. Neben diesen Auswirkungen auf bilanzielle und erfolgswirtschaftliche Größen wirkt sich die Umstellung auf IFRS 16 aber auch auf die Struktur der Kapitalflussrechnung aus, da die bislang komplett im operativen Cashflow erfassten Leasingzahlungen nunmehr in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil aufzuteilen und entsprechend zu erfassen sind. Die Tilgungszahlungen werden in der Folge im Finanzierungscashflow, der Zinsanteil (abhängig von der Ausübung des entsprechenden Wahlrechts) entweder im Finanzierungs- oder im operativen Cashflow erfasst. Dies führt in der Tendenz zu einem erhöhten operativen sowie einem verminderten Finanzierungscashflow.

6) Bedeutung der Kommunikation der Effekte

Die Umstellung auf IFRS 16 und die damit verbundene Erfassung grundsätzlich aller Leasingverträge in der Bilanz macht es für viele Unternehmen unumgänglich, sich Gedanken über IT-Lösungen zur standardisierten Inventarisierung, Klassifizierung und Bewertung ihrer Leasingverträge zu machen oder bestehende Infrastrukturen an die geänderten Anforderungen anzupassen. Vor allem dezentral organisierte Unternehmen mit lokaler Budgetverantwortung und in der Folge dezentraler Datenverwaltung werden hiervon besonders betroffen sein, da in derartigen Strukturen Vertragsabschlüsse und -änderungen regelmäßig autark vorgenommen werden. Neben der erstmaligen (standardisierten) Erfassung aller konzernweiten Leasingverträge ergeben sich künftig aber auch laufende Verwaltungs- und Bilanzierungsaufgaben, um die erforderlichen Informationen bereitstellen zu können. Dies kann zu (umfangreichem) prozessualem und systemseitigem Anpassungsbedarf führen. Schließlich ist – vor allem in der Umstellungsphase – erhöhter Schulungs- und Informationsbedarf nötig, um die betroffenen Mitarbeiter in den verschiedenen Bereichen an die neuen Erfordernisse heranzuführen. Hierbei helfen regelmäßig auch angepasste beziehungsweise ergänzte Bilanzierungsrichtlinien, Buchungsanweisungen und (Rechen-)Vorlagen.

Fazit

Betrachtet man die Bilanzierungs- und Analysepraxis vor IFRS 16, so wurden auch bislang die Verpflichtungen aus Operate Leases aus dem Anhang entnommen und bilanzanalytisch berücksichtigt. Die Verlässlichkeit des Barwerts dieser Verpflichtungen als Schätzwert für die künftig nach IFRS 16 zu erfassenden Beträge wurde durch Simulationsrechnungen verschiedentlich bestätigt. Insofern bleibt der aus den Neuregelungen resultierende Erkenntnismehrgewinn – von Einzelfällen abgesehen – voraussichtlich überschaubar. Dasselbe gilt für die vermeintliche Verbesserung der Rechnungslegung wie auch der Abschlussqualität durch IFRS 16. Vereinzelt mag die Einführung von IFRS 16 durch eine zentrale Vertragsverwaltung möglicherweise tatsächlich dazu führen, dem Leasingnehmer einen besseren Überblick über das Vertragsportfolio oder den Verpflichtungsumfang aus Leasingverhältnissen zu vermitteln. Bei besserer eigener Bonität folgt hieraus gegebenenfalls sogar eine unternehmerisch vorteilhafte Kaufentscheidung mit eigener Finanzierung anstelle eines Leasingverhältnisses. Dieser Aspekt kann dann ausnahmsweise als positive Auswirkung der IFRS 16-Einführung beurteilt werden.

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Die Autoren

Prof. Dr. Christian Fink ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere externes Rechnungswesen und Controlling, an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Zuvor war er mehrere Jahre als Manager Accounting Regulations für ein international operierendes Familienunternehmen tätig. Er ist Mitglied im HGB-Fachausschuss des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) in Berlin und engagiert sich in der Vereinigung zur Mitwirkung an der Entwicklung des Bilanzrechts für Familiengesellschaften (VMEBF) e.V.

Dr. Michael Reuter ist Head of Group Accounting and IFRS Policies bei der Franz Haniel & Cie. GmbH, Duisburg. Haniel ist ein deutsches Family-Equity-Unternehmen, gestaltet ein diversifiziertes Portfolio und verfolgt dabei als Wertentwickler eine langfristige und nachhaltige Investmentstrategie. Dr. Reuter ist außerdem Geschäftsführer der Haniel Finance Deutschland GmbH, einer Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaft sowie ,Liaison Officer’ zur Anbindung eines neuen Geschäftsbereichs von Haniel. Darüber hinaus ist Dr. Michael Reuter Mitglied des Aufsichtsrats der Rovema International GmbH und Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Vereinigung zur Mitwirkung an der Entwicklung des Bilanzrechts für Familiengesellschaften (VMEBF e.V.).