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Aussagekräftige Berichterstattung ist auch in der digitalen Welt möglich

insightsoftware -
22 Juni 2021

insightsoftware ist ein globaler Anbieter von Reporting-, Analyse- und Performance-Management-Lösungen, mit denen Unternehmen Daten intelligent nutzen und die Prozesse von Finance und Data Teams revolutionieren können.

Corporate Reporting wird immer komplexer: 56 Prozent der Unternehmen müssen mehr als elf Standards beachten. Auch die Zahl der Finanzberichte nimmt weiter zu. Die große Bereitschaft in neue Reporting-Systeme zu investieren, ist vorhanden; allerdings gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der IT zuweilen schwierig.

Die EU-Kommission hat im Februar 2018 einen „Fitness Check on Public Reporting by Companies“ eingeleitet. Im Rahmen dessen soll u.a. untersucht werden, ob die derzeitigen Rechnungslegungsvorgaben auch in einer digitalen Wirtschaft zu aussagekräftigen Abschlüssen führen [1]. Die AG Trendwatch des Instituts der  Wirtschaftsprüfer (IDW) in Deutschland hatte sich u.a. mit dieser Frage bereits im vergangenen Jahr befasst und das IDW Positionspapier zu den Auswirkungen der digitalen Transformation auf Finanzberichterstattung und Unternehmensbewertung entwickelt.

Wertschöpfungskette unter Druck

Die digitale Transformation unterscheidet sich grundlegend von bisherigen Tendenzen einer  Automatisierung und der zunehmenden Verbreitung des Internets. Während in der Vergangenheit lediglich einzelne Branchen, Unternehmen und Prozessschritte innerhalb eines Unternehmens von der Digitalisierung betroffen waren, sind heute nicht nur einzelne Elemente der Wertschöpfungskette betroffen, wie beispielsweise die automatisierte Fertigung oder der Vertrieb, sondern die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens – von der Geschäftsidee über die Entwicklung von Produkten oder Dienstleistungen, den Einkauf bis hin zu Verkauf und Service. Die digitale Transformation bringt Wettbewerber hervor, die die Wertschöpfungskette ganz oder teilweise unter erheblichen Druck setzen oder gar zu Fall bringen können.

Wie wirkt sich dies auf den Abschluss aus? Bleiben Abschlüsse auch in einer digitalen Welt aussagekräftig? Sind die für die Bilanzanalyse verwendeten Messgrößen anzupassen? Die Abschlussanalyse ermöglicht einen zwischenbetrieblichen und zeitlichen Vergleich, und zwar unabhängig von Geschäftsmodellen, Größe oder Region. Das ändert sich auch vor dem Hintergrund der digitalen Transformation nicht. Allerdings können sich die abgebildeten Verhältnisse von Erträgen, Aufwendungen und deren Quellen erheblich ändern.

Im Rahmen der digitalen Transformation werden alte Bilanzierungsprobleme (noch) deutlicher hervortreten. In den vergangenen Jahrzehnten hat der Anteil des immateriellen Vermögens am Gesamtvermögen von Unternehmen deutlich zugenommen.

Folgen der digitalen Transformation

Unternehmen werden, wenn ihre Geschäftsmodelle durch neue Wettbewerber und Technologien unter Druck geraten, möglicherweise dazu übergehen, Wettbewerber zu übernehmen. Dabei können sich erhebliche Goodwills ergeben. Diese werden durch die derzeit niedrigen Zinsen und dadurch steigenden Vermögenspreise möglicherweise noch erhöht. Auch nach der Kaufpreisallokation auf die einzelnen erworbenen Werte werden tendenziell noch erhebliche Goodwills übrigbleiben.

Aufgrund geänderter Geschäftsmodelle können hohe Investitionen erforderlich werden. Das kann zur Folge haben, dass sich die Anlagenintensität verändert oder die Schwerpunkte der Investitionen sich wandeln, von Sachanlagen hin zu immateriellen Werten, insbesondere (technischem) Know-how. Gegebenenfalls sind bislang genutzte Vermögenswerte und Goodwills außerplanmäßig abzuschreiben.

Es können sich zudem erhebliche Finanzierungskosten und -risiken ergeben. Denkbar sind ferner Verschiebungen von Produktumsätzen hin zu Dienstleistungsumsätzen. Daraus ergeben sich andere Kostenstrukturen und Margen. Unternehmen, die digitale Dienste bereitstellen, werden zumeist insbesondere hohe Fixkosten aufweisen, verursacht durch die Entwicklung des Produkts bzw. der Dienstleistung. Reproduktions- und Vertriebskosten werden regelmäßig gering sein. Ein geändertes Geschäftsmodell kann ferner eine vollkommen unterschiedliche Personalstruktur und andere Personalqualifikationen erfordern.

Ob die aktuellen Mitarbeiter die neuen Anforderungen erfüllen können, wird sich zeigen müssen. Auf jeden Fall werden Fortbildungsaufwendungen entstehen, möglicherweise auch Aufwendungen für Personalfreisetzung und Personalrekrutierung. So können beispielsweise die benötigten IT-Spezialisten die Personalkosten deutlich erhöhen – gerade vor dem Hintergrund von demografischem Wandel, Fachkräftemangel und „War for Talent“ – was sich wiederum auf die Kostenstrukturen, z.B. die Personalintensität, auswirkt. Gleichzeitig sind erhebliche Effizienzsteigerungen möglich.

Die Abschlussanalyse ist daher grundsätzlich anhand derselben Indikatoren wie bislang möglich, weil sich zwar die abzubildenden Sachverhalte ändern, nicht aber die Vorgaben für deren Abbildung im Abschluss. Zahlreiche Kennzahlen erlauben allerdings lediglich einen Branchenvergleich. Zu beachten ist, dass die Kennzahlen für ein Unternehmen vor und nach einer disruptiven Anpassung des Geschäftsmodells nicht sinnvoll miteinander verglichen werden können und dass diese Zahlen möglicherweise mit einer anderen Gruppe von Wettbewerbern zu vergleichen sind. Lageberichte enthalten vor dem Hintergrund der digitalen Transformation nützliche Aussagen zu Geschäftsmodell, Forschung und Entwicklung sowie die zukunftsorientierte Risiko- und Prognoseberichterstattung, die sich aber in der Regel nur auf die nahe Zukunft bezieht. Die digitale Transformation schlägt sich bislang insbesondere in der Risikoberichterstattung über IT-Risiken nieder.

Um die Jahrtausendwende wurden Vorschläge für eine Fortentwicklung der Lageberichterstattung im Sinne eines Value Reportings entwickelt, wonach der Lagebericht deutlicher zukunftsbezogen sein und so bessere Rückschlüsse auf den Marktwert des Unternehmens zulassen sollte. Im Rahmen des „Fitness Check on Public Reporting by Companies“ der EU-Kommission sollte eine Aktivierungspflicht für selbst geschaffenes immaterielles Vermögen diskutiert werden. Fraglich ist auch, ob die Definition von Vermögensgegenständen durch deren selbstständige Verwertbarkeit noch zeitgemäß ist. Ist es sachgerecht, wenn Bilanzen lediglich das Schuldendeckungspotenzial der einzelnen Vermögensgegenstände (ohne Synergien) zeigen, entsprechend dem Fall, dass die Vermögensgegenstände einzeln verkauft werden? Ist für die Einschätzung der Unternehmenslage nicht wichtiger, dessen Fähigkeit, künftig Einzahlungsüberschüsse zu generieren, nachzuvollziehen? Denkbar wäre auch, dass Unternehmen die Differenz zwischen Markt- und Buchwert im Lagebericht entsprechend dem Gedanken eines Value Reportings oder durch eine geeignete Überleitungsrechnung vom Buch- auf den Marktwert erläutern.

Der Autor

StB Dr. Matthias Schmidt ist Fachreferent für Rechnungslegung und Prüfung beim Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland .V. (IDW). Er beschäftigt sich u.a. mit Fragen der Fortentwicklung der Unternehmenspublizität, insbesondere durch Digitalisierung und nachhaltige Entwicklung, und vertritt das IDW in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien.

[1] Vgl. EU Commission: Evaluation Roadmap: Fitness Check on Public Reporting by Companies, S. 2 f.